Radtour Bayreuth – Berlin im Mai 2016

Ihr müsst verrückt sein … so oder ähnlich haben uns (mein Freund Daniel und mich) einige argwöhnische Zeitgenossen angesprochen. Aber warum denn das? Weil wir an 5 Tagen 500 km Fahrrad fahren wollten? Ja klar, für denjenigen, der sein altes „Schlachtross“ zwei mal im Jahr aus der Garage holt und damit 2 km zum Bäcker fährt, ist das natürlich eine schier unüberwindbare Herausforderung, für jemanden der im Jahr 5.000 -10.000 km Rad fährt, ist das durchaus eine lösbare Aufgabe.

Tag1: Von Unternschreez über Himmelkron nach Selbitz

Tag 1: Unternschreez – Himmelkron – Selbitz

78,81 km / 953 Hm / 05:18 Std. (reine Fahrzeit)

Eigentlich hatte ich schon die Nase gestrichen voll, bevor es überhaupt los ging. Der Wetterbericht hatte für die ganze Woche Regen vorhergesagt und die Temperaturen sollten kaum über 10 ° Celsius steigen … Keine wirklich prickelnden Voraussetzungen für eine Radtour, auf die wir uns seit Wochen gefreut hatten. Lediglich für das kommende Wochenende waren in Berlin ganz annehmbare Werte gemeldet.

Also stieg ich am Montag, kurz nach 09:00 Uhr, etwas missgelaunt auf mein Fahrrad, das mit ca. 13 Kilo extra Gewicht fast 30 Kilo wog. Auf dem Rücken noch einen 6 Kilo schweren Rucksack. Alles schön regensicher eingepackt, damit nichts nass wird, im Falle eines Falles …

Rund 90 Minuten später hatte ich die ersten 35 Kilometer abgespult und freute mich auf einen Kaffee bei meinem Freund Daniel, den ich in Himmelkron „einfangen“ wollte. Aber als ich ankam, stand der schon fix und fertig in den Radschuhen und der heiß ersehnte Schluck fiel erstmal aus. Zur „Strafe“ hatte aber der liebe Gott den Daniel seinen Schlafsack vergessen lassen, so dass wir noch einen kleinen Zwischenstopp in Bad Berneck einlegen mussten, um auf seine Freundin zu warten, die den Schlafsack mit dem Auto heranfuhr … 😉

Weiter ging es dann ordentlich bergan über die Ausläufer des Fichtelgebirges. Eine schöne Aussicht auf Schneeberg und Ochsenkopf und trockenes Wetter ließen die ersten positiven Gedanken in mir aufkeimen. In Stammbach legten wir eine kleine Rast ein und beschlossen uns auf die Suche nach dem bereits erwähnten Heißgetränk zu machen. Aber wie das am Pfingstmontag auf dem Land so ist … alles geschlossen. Also schnell zwei, drei Bananen auf einer Bank am Marktplatz verdrückt und weiter ging es. Auf meinen Kaffee musste ich also noch etwas warten …

In Wüstenselbitz dann war ich (fast) am Ziel meiner Träume. Zumindest für diesen Tag. Eine Gaststätte hatte geöffnet und wir konnten heißen Kaffee mit warmen Apfelstrudel genießen. Endlich! Und dazu schien sogar die Sonne. Na, wenn das nichts bedeuten sollte.

Dauerte dann auch gar nicht mehr lange und ein wunderschöner Radweg führte uns über Helmbrechts direkt nach Selbitz, zum Gasthof „Goldene Krone“. Dort konnten wir die Fahrräder im Keller einstellen, duschen und genossen den Abend bei italienischem Eis und Pizza.

Tag 2: Selbitz über Hof und Plauen nach Mülsen

107 km / 1.219 Hm / 06:32 Std. (reine Fahrzeit)

Erstaunlicherweise ging es am zweiten Tag ganz gut los. Nichts tat weh, kein Muskelkater, das Frühstück schmeckte und wir waren guter Dinge. Zumal es mit unserem Mittagsziel Plauen in meine „alte Heimat“ ging.

Nach ein paar kurzen aber knackigen Anstiegen konnten wir schon übern Berg schauen und am Horizont Hof erkennen. Das Fahrrad-Navi von Daniel wollte uns aber auf eine stark befahrene Bundestraße schicken. Das wollten wir nicht! Also sind wir kurzerhand in einen Waldweg eingebogen um uns in etwa nach der Himmelsrichtung nach Hof zu orientieren. Nach einer ziemlich holprigen Strecke in einem Waldstück hieß es plötzlich „Halt, umkehren, meine Kamera ist weg!“. Daniel hatte seine mit einem Magneten am Lenker befestigte Mini-Kamera verloren. Also mit den schweren Rädern wieder in umgekehrte Richtung strampeln und hoffen, dass wir das Teil wiederfinden würden. Fast gleichzeitig haben wir sie dann am Wegrand liegen gesehen und konnten aufatmen und wieder in die richtige Richtung radeln.

Nach einigen weiteren holprigen Kilometern sind wir dann doch noch auf der Bundesstraße gelandet, konnten aber zum Glück nach kurzer Zeit wieder auf einen Radweg abbiegen. Nun waren es nur noch ein paar wenige hundert Meter bis in die Hofer Innenstadt. Gegenüber der neuen Freiheitshalle (übrigens ein imposanter Bau, genauso, wie das neue Theater!) gab es dann die erste Milchkaffee-Pause. Der kalte Wind hatte mir ganz schön zugesetzt und ich hoffte auf besseres Wetter … Aber bis dahin waren es noch einige Kilometer.

Von Hof dann weiter auf der wenig befahrenen B173 über den ehemaligen Grenzübergang Blosenberg an den Talsperren Dröda und Pirk vorbei Richtung Plauen. Kurz vor Pirk erwischte uns dann doch ein kleiner Schauer, den wir aber zum Glück in einem Bushäuschen abwarten konnten.

In Plauen angekommen, haben wir direkt am Klostermarkt ein leckeres und extrem preiswertes Menü beim „Chinamann“ unseres Vertrauens genossen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie gut gebratene Nudeln nach 45 Radkilometern schmecken können …

Von Plauen aus dann an der Talsperre Pöhl vorbei über Netzschkau, Reichenbach und Zwickau, wo wir wieder mal einen Kaffee Latte „verhafteten“. Will sagen: ich trank immer den Kaffee (als alter Warmduscher) … Daniel ist weniger ein Kaffeetrinker er bevorzugt den klassischen Tee (für richtige Männer), oder auch schon mal (sogar am Vormittag!) ein alkoholfreies Weizenbier. 😉

Von Reichenbach nach Zwickau sind wir eine gefühlte Ewigkeit durch einen Ort namens „Heinsdorfergrund“ gefahren. Das muss ’ne Großstadt sein! Ich hatte das Gefühl, das hört nie mehr auf … 😀

In Zwickau haben wir dann unsere Pension für den Abend klar gemacht (was man eben mit den modernen Smartphones so alles anstellen kann) und radelten anschließend direkt dorthin. Noch mal kurz verfahren und 5 Kilometer „Umweg“ gestrampelt, aber zur Belohnung entpuppte sich die Pension als handfestes Hotel mit Sauna, Whirlpool und Massagetherapie. Aus Zeitmangel mussten wir uns aber mit einem anständigen Abendbrot begnügen, welches erstaunlich lecker und preiswert war, so am Ende der bekannten Welt … 😉

Und nachdem mir meine Fitness-App im Bett sogar mitteilte, dass ich soeben meine (bisher) längste Tagesetappe gefahren war, da spürte ich dann doch etwas Komisches in den Oberschenkeln!

Tag 3: Mülsen – Bad Lausick – Wurzen – Torgau

120,7 km / 740 Hm / 06:19 Std. (reine Fahrzeit)

Nachdem wir relativ zeitig aufgestanden waren (es standen ca. 120 km auf dem Plan) unser Frühstück verschlungen und die Räder „gesattelt“ hatten ging es am dritten Tag etwa eine Stunde früher los. Laut Wetterbericht sollte es etwas wärmer werden und voraussichtlich trocken bleiben. Das klang doch schon mal ganz verlockend. Also machten wir uns auf den Weg Richtung sächsische Grenze.

Als erste Station war Geithain anvisiert und der Radweg, welcher vorwiegend auf einer wenig befahrenen Landstraße verlief, führte uns durch urwüchsige Wälder und Alleen. Sehr romantisch! Ein kleiner Ort wirkte sogar fast wie eines dieser lauschigen Bergdörfer in der Toscana. Und obwohl ich 40 Jahre meines Lebens in Sachsen verbracht habe, war mir diese Gegend fast völlig neu.

In Geithain (liegt in der Nähe von Leipzig) gab es dann wieder einen kleinen Bäcker, welcher uns mit frischem Kaffee (bzw. alkoholfreiem Weizen) und einem Stück Kuchen versorgte. Die ersten 40 km des Tages waren geschafft. Große Berge waren nicht mehr zu erwarten, die Sonne schien und es wurde immer wärmer. Unsere Laune war sehr gut. So macht Radfahren Spaß! In der Bäckerei fand ich gleich nach unserer Ankunft ein Portemonnaie, welches irgend jemand verloren hatte. Habe ich natürlich gleich der Verkäuferin gegeben, welche die Besitzerin wohl auch kannte. Zum Glück dauerte es auch nicht lange, bis die zur Geldbörse gehörende Dame erschien und diese freudestrahlend im Empfang nahm. Sie hatte ihr „Unglück“ noch gar nicht bemerkt!

Für die Mittagspause hatten wir uns Bad Lausick auserkoren. Gegen 13:30 Uhr kamen wir in der Ortsmitte an und mussten erst einmal unsere Smartphones bemühen um eine offene Gaststätte zu finden. Und (wer hätte das gedacht) wieder einmal sind wir beim „Chinamann“ gelandet. 😉 War auch wieder lecker, allerdings bei Weitem nicht so preiswert wie in Plauen. Naja, ist ja auch ein Bad, dieses Bad Lausick … 😀

Gut gestärkt ging es anschließend weiter nach Richtung Wurzen. Ein kurzer Stop auf der Brücke über der A14 ließ uns die armen Autofahrer bedauern, welche in ihren Blechkisten hocken und stur geradeaus fahren mussten. Wie schön ist doch dagegen das freie radeln durch die grüne Natur. Zugegeben: bei Regen und Sturm sitzt man dann zum verreisen doch lieber im Auto, aber so eine Radtour hat schon was!

In Wurzen ist mir dann ein kleiner Fauxpas passiert, indem ich die Mulde kurzerhand zur Elbe um deklarierte. Eine vorbei laufende Passantin schimpfte daraufhin auch gleich mit mir: „Das ist die Mulde, nicht die Elbe!“ wurde ich zurechtgewiesen.

Und auch in Wurzen fand sich wieder eine Bäckerei mit Kaffee und Kuchen im Angebot. Allerdings ist es mir dort zum ersten mal in meinem Leben passiert (oder aufgefallen), dass die Preise für den Verzehr an Ort und Stelle und Waren, die mit nach Hause genommen werden (ja auch jedes Brötchen!), unterschiedlich waren. Hängt wohl mit den verschiedenen Mehrwertsteuersätzen zusammen. Aber das hatte ich so noch nicht. Man lernt eben doch nie aus! 😉

Unsere Herberge in Torgau hatten wir schon am Abend vorher klar gemacht und freuten uns auf ein Hotel mit Bowlingbahn. Dort angekommen (nach 120 km) war erst einmal warten angesagt, weil scheinbar alle europäischen Monteure an diesem Tag dort einchecken wollten. Aber wir hatten ja Zeit und zeigten uns geduldig. Danach die übliche Prozedur: duschen, umziehen und auf zum Abendbrot. Ich bestellte mir einen Gemüseteller, der sich als doppelte Portion erwies. Kann mir gar nicht vorstellen, dass irgendjemand dazu in der Lage sein soll, solch eine riesige Portion aufzuessen …

Hier, an der Elbe (diesmal war sie es wirklich!) bemerkten wir dann auch, dass es ein paar mehr Radfahrer neben uns gab. Na klar, schließlich ging ja der berühmte Elberadweg (R1) auch hier vorbei. Und so wurde kurzerhand beschlossen, dass wir am nächsten Morgen direkt an der Elbe nach Wittenberg fahren wollten. Das würden zwar ca. 10 km mehr bedeuten, aber dafür direkt auf einem wildromantischen Radweg, direkt am Wasser (so verhieß der ausliegende Radwegführer zumindest …).

Bowling ist dann leider ausgefallen, da es doch schon 21:30 Uhr war, als wir mit dem Abendessen und der Tagesplanung fertig waren, aber das war nicht ganz so schlimm. Ein wenig hatten wir uns ja tagsüber doch bewegt. 😀

Tag 4: Torgau – Wittenberg – Treuenbrietzen – Ferch

142,2 km / 863 Hm / 07:41 Std. (reine Fahrzeit)

Am vorletzten Tag unserer Reise sollte das Ziel auf einem Campingplatz liegen. Der Wetterbericht hatte uns Sonne und Trockenheit und auch eine relativ warme Nacht versprochen. So waren wir also wild entschlossen die kommende Nacht in unseren Zelten zu verbringen. Jeder hatte ein kleines (ultraleichtes) Einmannzelt, eine Isomatte und einen Schlafsack im Gepäck. Wir freuten uns also auf einen romantischen Abend am Schwielowsee (südlich von Potsdam). Laut Homepage des Zeltplatz konnte man bis 20:00 Uhr einchecken. Das sollte problemlos möglich sein. In den letzten Tagen waren wir immer zwischen 18:00 und 19:00 Uhr angekommen, und fuhren auch schon eine Stunde früher los, also sicher kein Problem …

Wie schon erwähnt hatten wir uns als Erstes den Elberadweg auserkoren um mal ganz wildromantisch zu „radwandern“. Allerdings kostete es uns erst einmal ein paar Extraminuten diesen Radweg zu finden. Eine Beschilderung war zunächst überhaupt nicht vorhanden und eine Passantin, die wir befragten, schickte uns in eine Sackgasse … Aber Daniels GARMIN-Navi lotste uns dann doch noch an die richtige Stelle und so fuhren wir schon bald auf dem Elberadweg / R1. Es dauerte auch nicht lange und da holten wir die ersten Radler aus unserem Hotel ein, welche einiges früher als wir aufgebrochen waren. So wie es aussah, hatten die auch gewisse „Navigationsschwierigkeiten“ … 😉

Der Elberadweg erwies sich als durchaus fahrbar und das Wetter bestach uns mit Sonnenschein am blauen Himmel. Was uns aber irgendwie fehlte, war die Elbe. Wir sahen zwar hin und wieder mal einen Deich in einiger Entfernung, aber weit und breit kein Wasser! Das hatte uns der Radwegführer aber anders versprochen …

Nach gut einer Stunde kam dann doch eine Stelle, wo wir freien Blick auf den Fluss hatten. Eine kleine Fähre schob sich gerade übers Wasser und wir machten ein paar schöne Bilder. Aber auch im weiteren Verlauf des Elberadweges gab es (leider) nur sehr wenig Wasser zu sehen. Das fanden wir etwas schade, immerhin zog sich das Ganze fast 75 Km bis Wittenberg …

Als erste Kaffeepause hatten wir auf vielen Hinweisschildern etwas von einem Biergarten „Zur schönen Müllerin“ gelesen. Das war natürlich etwas für uns! Da wollten wir hin! Leider hätte dies aber satte 4 Kilometer Umweg bedeutet, welche wir nicht bereit waren, für eine Tasse Kaffee, in Kauf zu nehmen. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt ja schon, dass die Strecke auf jeden Fall die Längste der Tour werden würde. Da wollten wir nicht noch zusätzliche Kilometer produzieren. Also konnten wir leider die schöne Müllerin nicht besuchen und fuhren noch etwas weiter bis zum „Lausiger See“ (der heißt wirklich so!). Dort bekamen wir an der Rezeption vom örtlichen Campingplatz unsere ersehnten Getränke (Milchkaffee und alkoholfreies Bier – so ein Luxus!). 😀

Die ersten 30 Kilometer waren also schon mal im Kasten, weiter ging es durch schöne Wälder und ländlich geprägte Landschaften. Aber wie schon erwähnt, ist der R1 nicht überall so ausgeschildert, dass man kein Schild übersehen kann. So fuhren wir dann doch noch unsere 4 Extrakilometer, welche nicht die letzten des Tages werden sollten… 😮

Nach einigem Suchen und Finden hatten wir dann doch den Weg nach Wittenberg gefunden und kamen kurz nach 13:00 Uhr auf dem Marktplatz an. Ich staunte, wie sehr sich die Stadt in den vergangenen 20 Jahren verändert hatte, so lange war es schon wieder her, dass ich die Lutherstadt das letzte mal besuchte.

Am Marktplatz fanden wir dann auch gleich ein schönes Restaurant mit der Möglichkeit draußen zu essen. Wir setzten uns zu einer älteren Dame, welche uns sogleich erzählend in Beschlag nahm. „Wo kommt Ihr her, wo wollt Ihr hin …?“ Sie hatte viele Fragen und viel zu berichten. War aber ganz nett und Sie machte uns neugierig auf unsere weitere Tour. Sie kannte den Weg zwar nur vom Autofahren, aber das Meiste sollte sich später auch aus Radfahrersicht bewahrheiten.

Nachdem wir uns gestärkt hatten, ging es weiter Richtung Norden. Als Station für unsere nachmittägliche Kaffeepause stand Treuenbrietzen auf dem Plan. Ich kannte den Ort nur vom Hörensagen. Eine Ulkband aus den 80ern namens „Possenspiel“ hatte mal einen Hit im lokalen Radio mit dem Titel „Ich bin der Ladykiller von Treuenbrietzen“. Mir ging das Lied die ganze Zeit nicht aus dem Kopf …

In und um Wittenberg hatten wir noch den Vorzug eines gut ausgebauten Radweges, doch leider hörte der im Norden der Stadt plötzlich auf und wir mussten rund 15 Kilometer direkt auf der sehr stark befahrenen B2 strampeln. Das war so ziemlich das unangenehmste Stück der ganzen Tour. Ein LKW am anderen, Motorradfahrer, die mit ca. 200 km/h an uns vorbei schossen und jede Menge PKW`s die uns nach dem Motto „Hoppla, jetzt komm` ich“ überholten. Weniger schön … Aber alles hat ein Ende und somit auch dieser Streckenabschnitt. Danach ging es bis Treuenbrietzen immer schön auf einem Radweg parallel zur Bundestraße entlang. Super ausgebaut und schnurgeradeaus. Warum nicht gleich so?

In Treuenbrietzen gab es dann leider keinen „echten“ Milchkaffee. In der kleinen Bäckerei am Ortsrand schmetterte mir die sehr gelangweilt wirkende „Bäckereifachverkäuferin“ ein „Milchkaffe ham wa nich“ entgegen. „Aber doch einen Kaffee mit viel Milch?“ – „Müssen se sich selba machen!“ entgegnete sie und zeigte auf eine Thermoskanne gegenüber, wo sich Zucker, Milch, Tassen und Löffel befanden. Aha! So ist das also in Treuenbrietzen … Aber macht nichts, Hauptsache der Koffeinhaushalt konnte aufgefüllt werden. Wir hatten ja noch ein paar Kilometer zu bewältigen, lagen aber gut in der Zeit. Es waren noch etwa 30 Kilometer und wir hatten noch mehr als 3 Stunden bis 20:00 Uhr. Also „Alles easy!“ …

Auch nach Treuenbrietzen ging der schöne Radweg weiter. Es war schon fast eine Radautobahn, so gut war das hier ausgebaut. Sowas wünscht man sich doch für daheim … Und komischerweise haben wir dort, in Brandenburg, die wenigsten Radfahrer auf der ganzen Tour getroffen.

So ca. 20 Km nach Treuenbrietzen schickte uns das Garmin-Navi (welches uns bis dahin immer treue Dienste geleistet hatte) auf einen Waldweg, den wir zunächst problemlos fahren konnten. Doch der Waldweg wurde immer mehr zu einer Fahrrinne, die mir aus alten Erinnerungen an Zeiten auf dem Truppenübungslatz bekannt war. Dies bestätigte sich später auch durch Schilder „Achtung! Militärgelände …“. Irgendwann ging dann gar nichts mehr. Keinen Zentimeter voran! Sogar Schieben wurde zur Tortur! Also umgedreht und mal wieder nach Karte und Kompass orientiert. Das Ganze zog sich dann arg in die Länge. Sowohl zeitlich als auch, was die Anzahl der Kilometer betraf. Aber zwei Burschen wie wir, die kämpfen sich durch! 😉 Und so dauerte es zwar etwas, aber nach einigen „Extrem-Holperstrecken“ und „Schiebeabschnitten“ hatten wir wieder auf den geplanten Weg zurück gefunden und nun waren es nur noch wenige Kilometer. Also noch ein paar Hügel rauf und runter und 20 Minuten vor Toresschluss erreichten wir die Rezeption des Campingplatzes, wo wir unsere Übernachtung klar machen konnten.

Da uns der Verwalter gesagt hatte, dass die Gaststätte in der Nähe nicht allzu lange auf hat, bauten wir schnell die Zelte auf und verschoben das Duschen auf später. Aber leider war es dann doch schon zu spät und so mussten wir noch ein paar hundert Meter weiter laufen um zu unserem Abendbrot zu kommen. Aber Ende gut, alles gut. Wir haben noch was Feines bekommen und konnten uns für die Nacht im Zelt stärken.

Nach dem Essen also noch schnell „Körperhygiene“ und dann ab auf die Luftmatratze. Allerdings hatte ich nicht mit der Defekthexe gerechnet, welche meine nagelneue Hightech-Iso-Luftmatratze verzaubert hatte. Und so platze diese mit einem dumpfen Knall, als ich mich darauf fallen ließ. Na das kann ja heiter werden, dachte ich und legte mir alles was ich an polsterfähigen Sachen fand unter den Rücken. Aber, wer hätte das gedacht, ich habe geschlafen wie ein Baby … nach mehr als 140 km Fahrradfahren ist das sicher auch kein Wunder! 😉

Tag 5: Ferch – Postdam – Berlin

68,54 km / 557 Hm / 4:43 Std. (reine Fahrzeit)

Ziemlich früh war für mich die Nacht vorbei. Auf meiner harten Unterlage war es nicht unbedingt verlockend auszuschlafen. Ohnehin kribbelte es mächtig in den Beinen, denn das Ziel unserer Reise war zum Greifen nahe und so hielt mich Nichts im Zelt.

Also auf und die sanitären Einrichtungen erkunden, Zelt abbauen, Sachen verpacken und das Fahrrad satteln … Zwischendurch kam auch Daniel aus seinem Zelt und fast pünktlich gegen 07:30 Uhr fuhren wir nach Caputh zum Frühstück. Beim dortige REWE-Bäcker konnte man sogar draußen sitzen und die Morgenluft genießen.

Der Radweg nach Potsdam schlängelte sich vorwiegend am Wasser entlang, zunächst am Schwielowsee, später am Templiner See und den Ausläufern der Havel. Es dauert aber nicht lange und wir hatten das Stadtzentrum von Potsdam erreicht. Mein letzter Aufenthalt in der brandenburgischen Landeshauptstadt war schon wieder ein paar Jahre her und so staunte ich nicht schlecht, wie sich das Gesicht der Stadt verändert hatte. Sowohl Historisches im neuen Glanz als auch komplette Neubauten waren zu sehen. Eine coole Kaffee-Bar versüßte uns den kurzen Aufenthalt. Lange wollten wir nicht in Potsdam bleiben, Berlin war ja das Ziel.

Und ehe wir uns versahen, kam schon die Glienicker Brücke (auf der im kalten Krieg die Agenten zwischen Ost- und Westmächten ausgetauscht wurden) und somit die Stadtgrenze auf uns zu. Das war natürlich ein herrlicher Augenblick für uns. Nach fast 500 Kilometern im Sattel hatten wir das Primärziel erreicht. Bis zum Brandenburger Tor war es zwar noch ein wenig hin, aber Berlin war schon mal erreicht.

Dazu strahlte die Sonne und der Wetterbericht verhieß uns den heißesten Tag der Woche. 27°C sollten es werden …

Zunächst ging es auf einem Radweg parallel zur B1 entlang, bevor wir am Wannsee vorbei fuhren und anschließend in den Grunewald abbogen. Dort erwarteten uns noch einige Höhenmeter, dafür aber relativ ruhige Alleen und jede Menge „Radfahr-Kollegen“, deren Rennräder Daniel genauestens unter seine kritischen Blicke nahm. 😉

Nachdem der Grunewald durchquert war fuhren wir direkt auf ICC und Funkturm zu und danach ging es schon auf die Heerstraße, welche später zu Kaiserdamm und Straße des 17. Juni wird. Vorbei an Deutscher Oper, Universität, Siegessäule und schon lag es vor uns: das Brandenburger Tor. Radfahrer gab es jetzt wie den sprichwörtlichen Sand am Meer und so bummelten wir die letzten Kilometer hinter zahlreichen Touristen her.

Am Brandenburger Tor war dann natürlich erstmal „Fototermin“ angesagt. Ein niederländischer Profifotograf (den wir angesprochen hatten) knipste uns mit meinem Handy und wir strahlten um die Wette in die Linse … Geschafft! Nun waren wir also „richtig“ am Ziel. 517 km mit mehr als 4.000 Höhenmetern lagen hinter uns. Reichlich 30 Stunden hatten wir bis hierher gebraucht. Für uns Hobby-Radler war das nicht schlecht und wir waren auch ein wenig stolz auf uns. Das wir das (rein körperlich) schaffen würden, hatten wir nicht angezweifelt, aber auf so einer Tour kann ja so manches passieren oder schief gehen. Aber es war alles gut gegangen, selbst das Wetter hat gehalten und wir sind trocken und gesund angekommen.

Nachdem wir uns gestärkt und ein wenig in Berlin-Mitte umgeschaut hatten, ging es dann wieder weiter zur gebuchten Pension, welche uns die nächsten beiden Tage beherbergen sollte. Das Garmin-Navi wollte uns einen relativ großen Umweg fahren lassen, also orientierten wir uns wieder an der Himmelsrichtung und fuhren nach Gefühl. Am Flughafen Tegel hatten wir dann einige Mühe auf den Fahrradweg zu finden, aber irgendwie gelang uns auch das und gegen 17:00 Uhr trafen wir in der Pension ein, wo wir schon sehnsüchtig erwartet wurden. Die Inhaberin wollte nämlich Feierabend machen und wir waren für diesen Tag die letzten Gäste, die einchecken wollten …

Nun erst mal Sachen auspacken, einigermaßen einrichten, duschen und danach mit der S-Bahn ab ins Berliner Nachtleben … Zwei schöne Tage mit Sightseeing in Berlin folgten und am Sonntag Abend ging es mit dem Flixbus wieder nach Bayreuth, jeder Urlaub ist (leider) irgendwann mal zu Ende …

Resüme

Insgesamt war es eine super Tour mit vielen Erlebnissen, die man alle gar nicht so schnell verarbeiten kann. Fast jeden Tag gehen einem im Nachhinein Dinge durch den Kopf, wo das Erlebte noch mal gewisse Hirnareale durchläuft und ausgewertet wird. Man zehrt also lange von so einem Abenteuer. Und so ein Urlaub ist zwar auch nicht ganz umsonst, Pensionen und Verpflegung müssen ja irgendwie „ermeckert“ werden, aber sicher eine preiswerte Alternative zu „Club Robinson & Co“. Aber jeder so, wie er es mag …

Was uns aufgefallen ist: das in vielen Städten zwar schon ansatzweise etwas für Radfahrer getan wurde, aber leider oft sehr „halbherzig“. Berlin hat uns aber als Ziel für Radfahrer sehr begeistert. Es wird ja viel über die Hauptstadt geschimpft, aber in Punkto Radwegenetz und deren Ausgestaltung, hat Berlin seine Hausaufgaben auf jeden Fall gründlich gemacht. Das hat uns begeistert.

Aber dennoch (und das ist leider auch in Berlin nicht anders) sind wir in Deutschland eindeutig eine Autofahrer-Nation (das ist ja nichts Neues). Und da hat man es als „Pedalist“ teilweise schon etwas schwer, sich zu behaupten. Aber in den letzten Jahren hat ja auch in dieser Hinsicht an der einen oder anderen Stelle ein Umdenken eingesetzt. Man soll ja die Hoffnung nie aufgeben!