Letzten Sonntag war Race-Day in Roth. Ein ganzes Jahr fiebert eine Region auf einen Tag hin. Diesen Tag. Wenn sich in und um das beschauliche Städtchen Roth mehr als 5.000 Ausdauersportler auf den Weg machen um schier übermenschliche Leistungen zu vollbringen. Naja, ganz übermenschlich ist das nicht, was dort getrieben wird, denn Menschen sind es ja alle, aber dem untrainierten und wenig sporterfahrenen Mitbürger mutet es schon ziemlich „crazy“ an, wenn jemand 3,8 Kilometer schwimmt, im Anschluss 180 Kilometer mit dem Rad fährt und danach noch einen Marathon läuft. Sind doch viele nicht dazu in der Lage eine der einzelnen Disziplinen im geforderten Umfang zu absolvieren. Umso begeisterter sind dann die Zuschauer um Ihre „Helden“ an der Strecke zu feiern. Ein riesiges Spektakel, was mich seit 2012 jedes mal in seinen Bann zieht. Noch dazu gab es dieses Jahr eine Ankündigung von Lang- und Mitteldistanzweltmeister Jan Frodeno, in Roth einen neuen Weltrekord aufzustellen. Erstmals sollte ein Triathlet über die sogenannte IRONMAN-Distanz schneller sein, als der bis dahin amtierende Rekordinhaber Andreas Raelert, welcher seine Weltbestzeit im Jahr 2011 ebenfalls in Roth aufstellte. Das war nun wirklich nicht mehr zu toppen.
Dazu kam, dass auch dieses Jahr wieder Athleten aus meinem Heimatverein als Einzelstarter auf die Strecke gehen sollten und einige Bekannte und Freunde in diversen Staffeln als Schwimmer, Radfahrer oder Läufer aktiv waren.
Also alles in allem definitiv ein Grund wieder in Roth als Zuschauer dabei zu sein. Aber diesmal wollte ich es mir nicht so einfach machen und mit dem Auto fahren, nein ich wollte es den Athleten gleich tun und mich auch einer Herausforderung stellen. Also meine eigene Challenge bestehen. Die einfache Entfernung nach Roth betrug ca. 100 km mit rund 1.200 Höhenmetern, also hin und zurück ungefähr das, was die Athleten auf der Strecke zu absolvieren hatten. Vielleicht etwas mehr, aber dafür hatte ich ja den Luxus, mir Pausen zu gönnen und was die Versorgung mit Speisen und Getränken betrifft, etwas großzügiger zu sein, als im Wettkampf. Zumal meine längste bis dahin gefahrene Strecke mit dem Fahrrad 142 Kilometer (an einem Tag) betrug.
Und so lag es natürlich nicht fern, meinem allseits bereiten Freund Daniel auf dieses kleine Abenteuer einzuladen. Zum Roth-Triathlon war er noch nicht gewesen und an einer längeren Radtour hat er ja immer Interesse … Also machten wir uns am Sonntag früh gegen 06:30 Uhr auf den Weg und düsten mit unseren Rennrädern Richtung Süden.
Nach ca. 20 Minuten beging ich einen folgenschweren Fehler, indem ich mich schlauer wähnte als das Garmin-Radcomputer-Navi auf dem Lenker von Daniel. Er wollte geradeaus Richtung Pottenstein fahren, aber ich war der Meinung, dass der Weg über Pegnitz kürzer ist. Und da meine Überzeugungskünste offensichtlich stärker waren, als die des Radcomputers, bogen wir in Richtung Trockau / Pegnitz ab. Dadurch ergab sich ab Pegnitz ein größerer Abschnitt auf der B2, welcher aber zu dieser frühen Zeit, am Sonntag Morgen, noch ausgesprochen ruhig war und uns somit niemand groß störte. Ein paar wenige Autos fuhren gerade zum nächstgelegenen Bäcker, die Fahrer selbst noch halb schlafend … Also alles im grünen Bereich.
Nach ca. 50 Kilometer dann in Gräfenberg die erste Pause mit einem kleinen Kaffee und einem Stückchen Erdbeerkuchen. An dieser Stelle endete dann sozusagen der Wettkampfmodus und ging in den Radtourenmodus über … 😉 Aber die Beine waren ja noch frisch und so machten wir uns relativ schnell wieder auf den Weg, wohl wissend, dass es noch ein paar Kilometer bis zum Ziel waren.
Nach Gräfenberg ging dann allerdings die B2 in eine dem Namen Bundesstraße tatsächlich auch entsprechende Form über und mit der Ruhe war es schlagartig vorbei. Jeweils zwei Fahrstreifen, Leitplanken und wesentlich mehr Fahrzeuge machten ein Gefühl von Fahrradfahren auf der Autobahn … Das wollten wir nicht wirklich, also flugs an der nächsten Ortschaft abgebogen und über die Dörfer weiter Richtung Triathlon-Mekka. Allerdings stellte sich dies nun als ziemlicher Umweg heraus und so wuchsen allmählich die Kilometer bis zum Ziel bedrohlich an und die Zeit flog uns davon, wie nichts. Naja, war nun nicht mehr zu ändern und so strampelten wir brav weiter und hatten kurz vor Nürnberg keine andere Wahl mehr, als wieder die B2 auf dem Seitenstreifen zu nutzen. Durch Nürnberg selbst war dann auch nicht unbedingt das reinste Vergnügen, auch wenn die Stadt hinsichtlich Radwegen sehr gut ausgebaut ist. Aber zügig voran kommen geht halt anders. Aber auf unseren Touren hatten wir ja schon so manches mal Ähnliches erlebt und ich sehe es ohnehin immer eher gelassen. Man weiß ja nie wozu es gut ist, auch wenn man Fehler macht. Unter Umständen bewahrt einen ein kleiner Fehler vor einem noch viel Größeren. Und so konnte ich (ungeplant) Daniel noch ein paar interessante Ecken von Nürnberg zeigen … 😉
Nach fast 130 Kilometern hatten wir es dann mit ca. 90 Minuten „Verspätung“ geschafft und rollten unter dem Banner „Welcome Triathletes“ am Ortseingang von Roth durch. Bis zur geplanten Ankunft von „Frodo“ war es auch noch etwas Zeit und so konnten wir erst mal in aller Ruhe Brotzeit machen und unseren Durst stillen.
Kurz danach hörten wir schon den Hubschrauber kreisen, der den Sieger des Tages ankündigte. Wir schlängelten uns durch die Menschenmassen um uns einen kleinen Platz an der Laufstrecke zu sichern. Es dauert auch nicht mehr lange und Jan Frodeno kam im Laufschritt um die Ecke. Den begeisterten Zuschauern Handküsschen zuwerfend rannte der dem Ziel entgegen. In einer neuen Rekordzeit von 7 Stunden, 35 Minuten und 39 Sekunden machte er seine Weltrekordankündigung wahr und übertraf die vorherige Bestzeit um fast 6 Minuten. Wahnsinn!
Nachdem er nun im Ziel wahr passierte erst mal nichts. Ich sah den Radfahrer mit dem Schild „1. Mann“, der also immer vor dem Führenden her fährt und sprach in an um zu erfahren, wer als Zweiter kommen wird, er konnte mir nur sagen, dass Frodeno 5(!) Kilometer Vorsprung auf den Zweitplatzierten hatte und somit war vor einer Viertelstunde mit keinem weiteren Athleten zu rechnen. Also schoben wir unsere Räder zur Wechselzone um unsere Freunde anzufeuern, wenn es vom Rad auf die Laufstrecke ging. Kurz bevor die Läufer in Richtung Stadtpark abbiegen sah ich jemanden um die Ecke rennen und war mir ziemlich sicher, dass es unsere Susanne aus dem Verein war. Daniel glaubte mir natürlich nicht … Ein Blick auf das Handy und die dort verfügbare Athleten-Tracking-App sagte uns, dass es durchaus sein konnte, war sie doch tatsächlich vor wenigen Minuten auf die Laufstrecke gegangen.
Also weiter zur Radstrecke um wenigstens noch die Mona zu „erhaschen“. Und wie der Zufall so will, kam Mona kurz nachdem wir uns postiert hatten mit dem Rennrad angeflitzt. Also schnell zum Ausgang der Wechselzone und dort warten. Zudem gesellten sich noch weitere Bekannte aus dem Verein, die auch schon ganz aufgeregt waren um unsere Mona, die ihre erste Langdistanz überhaupt bestritt, anzufeuern. Sie kam dann auch freudestrahlend angelaufen und begrüßte uns sogar kurz.
Da die Staffelathleten erst sehr viel später zu erwarten waren, und wir ja auch noch wieder mit dem Rad nach Hause fahren wollten, konnten wir leider nicht mehr so lange warten und machten noch einen Abstecher zum Markt. Ein ebenfalls sehr schönes „Stimmungsnest“, wo wir auch noch einige der Profi-Frauen erleben durften, die kurz davor waren das Rennen auf den Plätzen 4 bis 7 zu beenden.
Danach hieß es schon wieder Abschied nehmen, vom größten Sportevent in Bayern und einem der größten und schönsten Triathlons der Welt. Also traten wir den Heimweg an. Und diesmal wurde natürlich streng nach den Vorgaben des Garmin-Navi gefahren. Keine Experimente mehr! 😉
In Nürnberg gönnten wir uns dann noch eine kleine Kaffeepause und füllten unsere leeren Trinkflaschen wieder auf. Laut Berechnung waren es noch 80 Kilometer, also das was man sonst so als Tagestour üblicherweise absolviert …
Diesmal ging es dann aber vorwiegend auf Radwegen und an weniger befahrenen Straßen entlang und so war die Fahrt auch ein klein wenig entspannter. Danke Garmin! 🙂
Bis kurz vor der Fränkischen Schweiz waren auch die Anstiege moderat und so konnten wir in gutem Tempo Kilometer machen. Allerdings trafen uns dann die Anstiege (die vor allem kurz und knackig sind) umso heftiger. Daniel ließ sich zwar nicht lumpen und zeigte seine Bergfahrkünste, aber mir steckten noch der Marathon von vor zwei und der Triathlon von vor einer Woche in den Knochen und so langsam merkte ich auch, dass es die selbst bis dahin längste Radtour war, die ich je an einem Tag gefahren bin.
Kurz vor Betzenstein kam dann noch mal eine richtig böse Rampe, die ich mit zusammengebissenen Zähnen hochkurbelte. Ich beschloss mich in Betzenstein in einen der unzähligen Biergärten zu setzen und meine Frau anzurufen um Gnade zu ersuchen und uns abholen zu lassen. Gesagt getan, teilte ich Daniel meinen Entschluss am Gipfel des Anstieges mit und wir rollten die letzte Abfahrt direkt in den nächsten Gasthof.
Daniel war noch unschlüssig und wollte zunächst alleine weiter fahren, aber als dann unser „Taxi“ da war und ich mein Rad schon im Kofferraum verstaut hatte, war er sich auch nicht mehr so sicher und packte kurzerhand sein Rad mit ins Auto.
So ging ein sehr schöner Tag zu Ende und wir hatten allen Grund auf die 201 km mit ca. 1.822 Höhenmeter stolz zu sein, Auch wenn nicht alles perfekt, wie geplant, lief so waren wir wieder um einige Erlebnisse und Erfahrungen reicher. Wir hatten unglaubliche sportliche Leistungen bewundern können und mit Freunden gemeinsam an der Strecke gejubelt und unsere bekannten und unbekannten Helden gefeiert. Daneben waren wir selbst aktiv und sind ein Stück an unsere Grenzen gegangen, der eine mehr, der andere weniger. Einen besseren Trainingstag kann es kaum geben … 😉