Klettern

Klettern

Als ich ungefähr 9 oder 10 Jahre alt war, gab es im DDR-Fernsehen einen tschechischen Film der hieß „Wie man einem Walfisch die Zähne zieht“. Es ging um einen Jungen, der ungefähr im selben Alter, mit seiner alleinerziehenden Mutter lebte, welche eines Tages einen neuen Mann kennen lernte der in seiner Freizeit in der böhmischen Schweiz zum Klettern ging. Von Zeit zu Zeit nahm er dann den Hauptprotagonisten des Films (besagten 10jährigen) mit und es entspann sich ein gemeinsames Hobby … Mich faszinierte dieser Film, insbesondere die Momente, wo Vater und Sohn zu diesen gemeinsamen Kletterabenteuern aufbrachen. Da mein Vater vorwiegend auswärts arbeitete und viele Jahre nur an den Wochenenden heim kam, fühlte ich mich damals in einer ähnlichen Situation und ich wünschte mir nichts sehnlicher als einen (Ersatz?)-Vater, der mit mir zum Klettern ging. Aber dazu kam es leider nicht, daher musste ich meine Bergsteigerambitionen selbst in die Hand nehmen. Also erst einmal ab in die Bibliothek und ein Buch über Bergsteigen / Klettern ausgeliehen. Und obwohl das alles ziemlich kompliziert klang und Sicherheit auch damals schon groß geschrieben wurde, ging ich den pragmatischen Weg und klaute kurzerhand die Wäscheleine meiner Mutter aus dem Trockenraum im Keller und zog mit meinem damaligen Freund Markus in den nahe gelegenen Wald und wir suchten uns einen geeigneten Felsen um unser erstes Bergabenteuer zu absolvieren. Man kann sich natürlich denken, dass die Sache in einem totalen Fiasko endete, die Wäscheleine alsbald gerissen war und wir nur mit viel Glück unversehrt davon kamen. Natürlich ließ, wieder zu Hause angekommen, die Ohrfeige ob der kaputten Wäscheleine nicht lange auf sich warten… ABER: wir waren jetzt „echte Bergsteiger“ und „Kletterer“, hatten unseren ersten Felsen bezwungen und natürlich „Blut geleckt“. Da aber eine Kletterausrüstung zu DDR-Zeiten nicht so ohne Weiteres zu beschaffen war und meine Eltern auch kein besonderes Interesse daran zeigten, mich diesbezüglich zu unterstützen, mussten sich meine Kletterambitionen noch ein paar Jahre gedulden.

Als ich dann 1989 im Mai zur Unteroffiziersschule delegiert wurde, lernte ich dort Frank kennen. Frank kam aus Dresden und kannte natürlich einige junge Leute, welche regelmäßig in der Sächsischen Schweiz kletterten. Also fuhr ich in einem Wochenendurlaub mit ihm nach Dresden, wo wir dann gemeinsam mit den erfahrenen Kletterkumpels ins Gebirge zum Klettern fuhren. Ich hatte mir die notwendige Ausrüstung zusammengeborgt und machte nun meine ersten Versuche als Freikletterer und bezwang mit Mühe und Not, mit Drücken und Ziehen, den Conradsturm, meinen ersten echten sächsischen Gipfel. Ein Eintrag im Gipfelbuch dokumentierte diesen „Meilenstein“ in meiner Kletterkarriere.

Einige weitere Kletterwochenenden folgten und ich fand zunehmend Gefallen an diesem Sport, besorgte mir eine eigene Ausrüstung und wagte mich Stück für Stück an schwierigere Sachen heran.

Leider fielen dann ab Mitte der 90er Jahre die gemeinsamen Klettertouren unseren beruflichen Ambitionen zum Opfer und meine voranschreitende Gewichtszunahme setze dem Klettersport ohnehin entsprechende Grenzen. Umso schöner war für mich die Tatsache, dass ich ab 2011, nachdem ich mich von meiner fettigen Last befreit hatte, wieder mit dem Klettersport anfangen konnte. Auch hier half wieder der Kollege Zufall, als mir eine Einladung zum Tag der offenen Tür bei den Naturfreunden Bayreuth in die Hände fiel. Dort habe ich dann diverse Kletterkurse absolviert und die mir noch fehlenden Fertigkeiten im Vorstieg erworben. Nach langem Suchen habe ich seit ein paar Jahren mit Christian auch wieder einen festen Kletterpartner gefunden, mit dem ich sowohl in der Halle als auch am Felsen klettere, sobald unsere gemeinsame Zeit zulässt.

Klettern am Conradsturm in der Sächsischen Schweiz (ca. 1989)